3 Jahre nach der Flutkatastrophe

Bevölkerungsschutz nachhaltig stärken

Ein blauer LKW des THW fährt über eine provisorische Brücke.
In der Nacht auf 15. Juli 2021 verloren durch Sturmtief Bernd deutschlandweit 191 Menschen ihr Leben. Auch angesichts der Auswirkungen der Klimakrise müssen wir im Bevölkerungsschutz unter anderem in den Bereichen Warnung, Koordination und Risikokommunikation noch besser werden. picture alliance | Christoph Hardt
12.07.2024
  • Drei Jahre nach der Katastrophe im Ahrtal steht der Bevölkerungsschutz neuen Problemen gegenüber — die fortschreitende Klimakrise und der russische Angriffskrieg stellen neue Herausforderungen an das System.
  • Gerade Kommunikation und Koordination zwischen Bund und Ländern funktionieren im Ernstfall noch nicht optimal.
  • Für einen schlagkräftigen Bevölkerungsschutz müssen bestehende Strukturen wie das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) ausgebaut und über weitere Möglichkeiten der Koordinierung diskutiert werden.

Der Klimawandel hat auch in Deutschland bereits zu immer mehr und immer stärkeren Extremwetter-Ereignissen geführt. Uns werden in Zukunft weiterhin Fluten, extreme Hitze oder Waldbrände begegnen. Zur Bewältigung derartiger Ereignisse müssen angemessene Maßnahmen ergriffen werden.

Schutz vor Natur- und anderen Ereignissen

Einerseits müssen weitere Maßnahmen zum Schutz des Klimas getroffen werden. Andererseits müssen alle Lebensbereiche an die sich verändernden Klimabedingungen angepasst werden (Klimafolgenanpassung). Die Resilienz der Bundesrepublik und die Sicherheit der Menschen kann nur dann hinreichend verbessert werden, wenn beides Hand in Hand angegangen wird. Dafür setzen wir uns als grüne Bundestagsfraktion mit aller Kraft ein, so ist im Juni 2024 das Klimaanpassungsgesetz inkraft getreten.

Wir wollen in dieser Legislaturperiode ein ambitioniertes Hochwasserschutzgesetz auf den Weg bringen. Es soll die Ausweisung von Baugebieten innerhalb von Überschwemmungsgebieten verhindern, die Risikovorsorge und den Bevölkerungsschutz vor Ort entscheidend verbessern. Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren zum Hochwasserschutz werden wir beschleunigen.

Gleichzeitig rückt mit Blick auf den völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und mit Blick auf Sabotagen, wie an der Nord-Stream-2-Pipeline, auch die Notwendigkeit eines besseren Schutzes der Bevölkerung im Falle eines Angriffs stärker in den Fokus. In beiden Bereichen, also dem Schutz vor Naturereignissen und dem Schutz vor Angriffen, stellen sich ähnliche Probleme.

Effektive Warnungen und Koordinierung im Ernstfall

Mit der Einführung des Cellbroadcasts, einem Mobilfunkdienst, mit dem Warnnachrichten direkt auf Handys oder Smartphones geschickt werden können, ist im Winter 2022 ein maßgeblicher Erfolg gelungen. Mit einer funktionierenden Warnung hätten bei der Katastrophe im Ahrtal nachweislich Menschenleben gerettet werden können. Die ersten Auswertungen zeigen: Mit dem „Warnmix“, einer Kombination verschiedener Warnmittel (wie etwa Fernsehen, Radio, Smartphones, Infotafeln, Lautsprecher) werden in Deutschland im Ernstfall bis zu 90 Prozent der Menschen erreicht. Damit gehören wir nun zu den Spitzenreitern in Europa. Wir setzen uns dafür ein, dass die Bevölkerung künftig noch besser gewarnt werden kann, etwa mit einer verbesserten Warnung mit Sirenen. Im Falle der Hochwasser in Süddeutschland im Mai und Juni diesen Jahres haben die Warnungen gut funktioniert. Dennoch ist der Ausbau von Sirenen bundesweit vonnöten, insbesondere Sirenen, die für einen so genannten „Weckeffekt" sorgen können.

Am Beispiel der gravierenden Waldbrände wird ein Problem des Deutschen Bevölkerungsschutzes offensichtlich: Die Strukturen sind oftmals nicht ausreichend miteinander vernetzt, sodass schnelle und effektive Hilfe aus benachbarten Regionen oder benötigte spezielle Einheiten nicht rechtzeitig vor Ort sein können. Bisher fehlt es an einer schlagkräftigen Koordinierungsstelle, die Einheiten von Bund und Ländern im Ernstfall steuert.

Das als Reaktion auf die Katastrophe im Ahrtal geschaffene Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB) ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es kann diese Koordinierungsarbeit unterstützen, zum Beispiel durch ein digitalisiertes 360-Grad-Lagebilds. Es bedarf jedoch weitergehender Kompetenzen, um im Ernstfall schnell und effizient reagieren zu können.

Die Bundesländer sind nun in der Pflicht, ihre Vertreter*innen in das GeKoB zu entsenden. Im Falle einer neuen Katastrophe ist das GeKoB bisher noch nicht voll einsatzbereit. Wir setzen uns dafür ein, dass das GeKoB zügig mit Vertreter*innen aller Länder besetzt wird und so ein Höchstmaß an Expertise und eine effiziente Koordinierung gewährleistet wird.

Gleichstellung von Helfer*innen

Wir als grüne Bundestagsfraktion setzen uns außerdem mit Nachdruck für bessere Rahmenbedingungen für freiwillige Helfer*innen im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ein. Wir wollen die Gleichstellung der ehrenamtlichen Herfer*innen und die Helfer*innen der anerkannten Hilfsorganisationen mit den Einsatzkräften von Technischem Hilfswerk und Feuerwehr erreichen. Dabei geht es um die erforderliche Freistellung von den Verpflichtungen am Arbeitsplatz durch Arbeitgeber*innen, Schadensersatzansprüche und um die soziale Absicherung.